Schwer ist´s, Fürsten zu dienen… Vor mir lag ein Toter, erschlagen im Rausch. Des Königs Faust und des Königs Goldpokal hatten zerschellt seine Stirn; denn er saß neben dem König, weil er sein Treuester war. Nahe über ihn neigte sich mein Haupt, dass die Locken über ihn hingen wie Gebüsch auf dem See; und meine Fäuste krampften sich in meinen Bart rechts und links; festhaltend mein Haupt, hielt ich mich selber fest. Denn ich war des Toten Bruder. Und ich sah, wie das Blut schweigend rieselte im rauchigen Licht. Aus der Stirn kam es heraus wie aus einem Felsbrunnen, rann in das linke Auge, füllte das Auge wie einen Kelch und floss in drei Strahlen über die Wange und über das goldgelbe Haar, wie Jauche fließt über das Stroh der Stallung. Dann kam es träge in den Saal, dunkelte und ward ein Teich. Das sah ich und hielt mit allen Fingern den Bart fest.

Da scholl in meinem Ohr des trunkenen Königs Stimme: „Wer wagt es, zu singen diesem Toten ein Lied?“ Im Saal war ein Rausch; und im Rausche saßen viele Männer und auch ein Sänger. Es war ein Geruch von gebranntem Bärenfleisch in der Luft und ein stärkerer Geruch von vergossenem Wein. Und langsam zog der Rauch empor im großen Saal, und ich hörte, wie die Holzklötze krachten und knisterten, die von den Dienern in das Herdfeuer gerollt wurden. Es waren viele Männer im Metsaal, aber alle waren still.

Und abermals hört ich des Königs trunkene Stimme: „Wer wagt es, zu singen diesem Toten ein Lied?“ Da stand ich steilrecht auf dem Schemel, auf dem ich gesessen hatte, zehn Fuß hoch über dem Toten. Aber ich sah nur den Toten. Ich streckte den Arm aus, steif hinüber und stumm, wo der Sänger saß. Zitternd brachte mir der Greis die Harfe. Denn ich hatte gelernt, die Harfe zu schlagen und sang so gut wie der Sänger, wenn ich allein war oder bei Freunden. Aber vor Königen zu singen, war ich zu stolz.

Und zum drittenmal schrie der Trunkene und schlug mit der Faust, die noch den tödlichen Kelch hielt, schwer auf den Tisch: „Wer wagt es, zu singen diesem Toten ein Lied?“ Ich saß, stemmte die Harfe auf des Toten Schenkel und sang. „Wonne ist´s, Fürsten zu dienen!… Deine breite Stirn, Ragdan, mein Bruder, hat gedacht für den König Nacht und Tag. Und es gelüstete den König, deine Gedanken zu schauen; er öffnete deine Gedankenburg, und in deinem Blute floss hin, was du gedacht. Du wirst nie mehr denken für den König, Ragdan mein Bruder.

„Wonne ist´s, Fürsten zu dienen!… Dein Auge, Ragdan mein Bruder, hat gewacht für den König Nacht und Tag. Und es gelüstete den König, dein Auge zu verschleiern mit Purpur, damit du Ruhe hättest nach langem Wachen. Breit liegt der Purpur über deinem Auge: du wirst nie mehr wachen für deinen König, Ragdan, mein Bruder.

„Wonne ist´s, Fürsten zu dienen!… In der Schlacht am Feuergebirge sprang dein eiserner Leib vor den wunden König und empfing statt seiner sieben schwere Schläge. Drei davon hätten den König getötet. Da tropfte das Blut von deinem Gewand, als ihr siegreich und stumm nach Hause rittet. Und es färbte sich rot in vielen Streifen dein Schimmel, als nun die Frühe den Ritt erhellte und die ernste Schar. Und der König sah den geröteten Schimmel und sagte verdrossen: “ Ich gab dir mein bestes Pferd, Ragdan, das Pferd ist wund.“ - „Das Pferd nicht,“ sagte Ragdan, „doch ich.“ Und er sank vom Ross. Sieben schwere Schläge trug er am Leib, geschnitten vom scharfen Schwert; der davon hätten den König getötet. Nie mehr wirst du vor deinen König springen, wenn die Schlacht tost, nie mehr sieben schwere Schläge tragen für den Mann, den du lieb hattest, Ragdan, mein toter Bruder!… Wonne ist´s, Fürsten zu dienen!…“

Da scholl ein Winseln durch den totenstillen Saal. Der König lag an meines Bruders Haupt und heulte, der Trunkene, wie der Wolf heult in kalter Nacht.

Ich gab die Harfe dem Sänger. Und ich trat hinaus vor die Halle; meine Brüder folgten mir. Und wir berieten miteinander des Königs Tod.